An einer Weltmeisterschaft teilzunehmen, ist immer etwas besonderes. In diesem Jahr war es für die Nichtchinesen ein sehr hartes Turnier. Von den 34 Teilnehmern bei den Herren waren 24 Teilnehmer Chinesen oder Vietnamesen, die mit dem Spiel aufgewachsen sind. Jedes Land kann zwei Chinesen oder Vientnamesen, die im Land leben, zur WM schicken. Als Länder gelten auch Macao, Taipeh, Taiwan und Hongkong. In der Non-Chinese-Non-Vietnamese-Gruppe (NCNV) gab es einen Indonesier, vier Japaner, einen Finnen und 4 Deutsche. Im Prinzip ist das Turnier ein A- und ein B-Turnier. Die NCNV-Spieler sammeln sich nach 2-3 Runden im Schweizer System quasi in ihrer „eigenen“ Gruppe. Schön ist natürlich, dass es in dieser B-Gruppe auch gute Preisgelder gibt, überproportional viele bepreiste Plätze. Dies ärgert bestimmt einige der guten Spieler in der A-Gruppe, die leer ausgehen. Vielleicht sollte man in eine Profi- und Amateur-WM trennen? Wie definiert man jedoch hierbei Profi und Amateur? Eine andere Möglichkeit wäre auch Hauptturnier und Kandidatenturnier mit Auf- und Abstiegsregelungen.
Prinzipiell sollte eine WM die besten Spieler der Welt versammeln, um den besten Xiangqi-Spieler (bzw. die beste Xiangqi-Spielerin im Damenturnier) zu küren. In diesem Fall hätten die meisten NCNV-Spieler nichts im Turnier zu suchen. China schickte in diesem Jahr auch nur die zweite Garnitur der Herren. Das Turnier soll das Xiangqi außerhalb von China promoten und ist eher ein Xiangqi Welt-Open. Ehrlich gesagt funktioniert dies, aus meiner Sicht, überhaupt nicht. Es wird als „chinesisches“ Event organisiert und ausgetragen. In der Eröffnungsveranstaltung und in der Abschlussveranstaltungen waren fast alle Reden ohne Übersetzung auf chinesisch. Ankündigungen, Vorberichte und dann Turnierberichte und Ergebnisse sind fast nur auf chinesisch und auf chinesischen Seiten zu finden. Leider gibt es auch kaum internationale Xiangqi-Spieler, die in dieser Richtung aktiv sind. Michael Nägler hat Probleme bei der Verbreitung des Spiels in der Sitzung des WXF auch angesprochen. Ob dies von den Funktionären aufgenommen wird und daraus neue Entwicklungen entstehen, werden wir sehen.
Für uns Langnasen ist es natürlich immer sehr spannend und auch lehrreich, den guten Spielern über die Schulter zu schauen. In der NCNV-Gruppe gibt es dann auch harte Kämpfe untereinander. Ein großer Anteil der Spieler ist seit vielen Jahren bei den WM-Turnieren vertreten, so dass es wie ein Familientreffen ist. Nachwuchspieler sind in der NCNV-Gruppe leider Mangelware. Da gibt es also noch einiges aufzuholen. Neben dem Herren- und Damenturnier gab es auch die Jugend-Turniere.
Als Turnier war die Veranstaltung sehr gut organisiert und der Veranstaltungsort mit den Räumlichkeiten bot sehr gute Bedingungen. Die Bedenkzeit pro Spieler war 60 Minuten + 30 Sekunden pro Zug, was oft auch zu Spielen mit bis zu 3 Stunden Gesamtzeit führte.
Mein ganz persönliches Fazit ist, dass der olympische Gedanke des Dabeiseins das Wichtige sei, zwar schön ist, jedoch bei zu geringem spielerischen Niveau sehr unbefriedigend. Gegen die NCNV-Spieler hatte ich spannende Begegnungen mit Erfolgsaussichten, die ich leider nicht ergriff. Wenn ich dann aber sehe, wie hoch das Niveau der Spitzenspieler ist, muss ich eingestehen, dass ich in diesem Turnier nichts zu suchen habe. Wollen wir in Deutschland das Xiangqi auf ein höheres Niveau bringen, muss sich in naher Zukunft einiges ändern. Insbesondere die Kinder- und Jugendarbeit muss intensiviert werden. Dies kann auch nur funktionieren, wenn wir professionelle Unterstützung aus China bekommen.
Berichte und Videos zum Turnier:
- VancouverCourier
- Vancouver City News (Video)